Leseprobe "Schieferliebe"

Leseprobe "Schieferliebe"

Die Welt des Aloysius Backes


(...)

Aloysius erste Grube war eine der ältesten Gruben Bundenbachs, die „Sinzenbach-Grube“.

Nicht, dass dies die erste Grube war, die er je betreten hatte. Als Kind dieses Dorfes war er mit den Gruben aufgewachsen, Sie dienten den Kindern zum Versteck oder einfach der Neugier, auch Mutproben, von denen man den Eltern besser nichts erzählte. Als die Amerikaner über Rhaunen anrückten, versteckten die Bauern ihre Kinder, die Ochsen und das Schwein im Schutz der Stollen; manch einer, so wurde gemunkelt, ließ Parteibuch, Uniform und Abzeichen in der Tiefe eines Schachts verschwinden. Einzelne Familien lebten tagelang im Dunkel der Gruben; ihre Angst vor marodierenden Soldaten ließ ihnen das sicherer erscheinen als das Risiko, Küche und Kammern mit amerikanischen Soldaten teilen zu müssen. Keinesfalls waren die Gruben ihm fremd. Aber sein erster Arbeitstag war etwas anderes: Der Krieg war vorbei, es gab die neue D-Mark, und ein Bub wie er konnte neben der kargen Landwirtschaft erstes Geld verdienen.

„Schiefer spalten“ – das wollte er nun lernen. Aber: „“Du musst zuerst mal sehen, wo die Stücker herkommen“, sagte der Aufseher und nahm ihn mit hinunter. In den abgeteuften Schächten sammelte sich über Nacht das Wasser, und so war es an jedem Morgen die erste Aufgabe des Bergmanns, das Wasser herauszuschöpfen. Eimer für Eimer musste von Mann zu Mann weitergereicht und vor dem Ausgang zum Stollen abgekippt werden. Erst dann konnte man dazu übergehen, die Brocken zu lösen, zur Spalthütte zu transportieren, wo er weiterverarbeitet werden konnte. Der Abraum musste ebenfalls hinaus, aus den Schächten wurde er - Schaufel für Schaufel, Stufe um Stufe - nach oben und schließlich in die Loren geschaufelt, diese wurden mit Manneskraft hinaus auf die Halde geschoben. Aber für den jungen Lehrling war es noch nicht soweit. Er bekam die Häb in die Hand und wurde in den Wald geschickt um Ginster und andere Sträucher zu schneiden, zu bündeln und auf dem Rücken zur Grube zu tragen. Die sollte er reichlich herbeibringen, denn der Wagen musste für den Transport des Schiefers vom Tal hinauf zur Straße, wo die Dachdecker mit ihren Kleinlastern auf die fertigen Schindeln warteten, gut gepolstert werden, damit die Pferde die Ladungen auf dem holprigen Weg ohne Bruch bergan bringen konnten. Jede zerbrochene Schieferplatte – ein Verlust…

Das war sicher eine leichte, eine angenehme Arbeit, und besser als die Hütte zu fegen, das Ofenrohr zu reinigen, das frische Bohrloch mit dem Kratzer vom Staub zu befreien oder Kaffee zu kochen – allemol!

Share by: